Ausflugsziel l Phare Amadée
270 Stufen Rundblick
Baie de Kanumera Landgang
Tabu Rock Ouré lodge
abends vor Anker Papillon-feeling
Kanak Kultur "Tatort"
noch Schwein gehabt

Y Not Aktuell

Ile des Pins und .... STOP !

28-07-2011

Der Weg durchs Riff nach Süden führt vorbei an vielen herrlichen Inselchen. Eines davon heißt Amadée und beherbergt einen Leuchtturm aus Stahl. Er wurde in Paris gebaut, danach demontiert und 1862 hier aufgestellt. Das höchste und modernste Bauwerk seiner Zeit in der südlichen Hemisphäre diente nicht nur der Schifffahrt sondern auch als Zeichen der Größe Frankreichs.
Ganz im Süden Neu Kaledoniens liegt die Pinieninsel, Ile des Pins. Ihre Buchten mit türkisfarbenem Wasser und weißen Palmenstränden könnten jedes Südsee-Bilderbuch bereichern. Ein sanfter aber luxuriöser Tourismus erschließt diese Szene den wenigen Gästen. Die Insel hat aber noch viel mehr zu bieten. Palisadenzäune mit herrlicher Kanak-Schnitzerei, Grotten mit riesigen Tropfsteinen aber auch Gefängnisruinen aus dem vorletzten Jahrhundert für die politischen Häftlinge aus Paris. Zur Erkundung dieses Kleinods eignet sich am besten eine Fahrradtour. Gesagt, getan. Leider kommen wir nicht sehr weit, dann ist der Ausflug schon zu Ende.
Am besten ist, wir erzählen unsere Versionen getrennt, jeder aus seiner Sicht:

*Wir sind bei einer kleinen Kapelle oberhalb des Örtchens Vao. Nicht einmal die beste Aussicht da oben. Gemütlich schlendern wir den lehmigen Fußweg wieder hinab, als es mir, Günter, den rechten Fuß vom glitschigen Boden wegreißt. Es geschieht so unerwartet und schnell, dass keine Reaktion mehr möglich ist. Der Oberkörper saust nach vorn, das linke Bein bleibt hinten stehen. Noch während des Fallens spüre ich einen gewaltigen Schlag oberhalb des linken Kniegelenks. Ich meine ihn sogar zu hören. Das verheißt nichts Gutes. Meine Sorge verstärkt sich, als ich merke, dass mein Bein jegliche Kontrolle versagt. Ich schleppe mich noch ein paar Schritte den Hang hinunter, aber ein Weitergehen ist unmöglich. Ute hat inzwischen ein paar Männer aus dem Dorf geholt, die mich zur örtlichen Ambulanz bringen. Es ist Sonntag, aber der Doktor ist da. Er bestätigt meine Vermutung, ein Bänderriss. Aber noch weiß keiner wie schwer. Ein Ultraschallgerät steht ihm nicht zur Verfügung und Orthopäde ist er auch nicht. Also lässt er einen Flieger aus Noumea kommen, denn Fähre und Linienflüge werden gerade bestreikt (Wir sind in Frankreich!). Er fährt mich sogar persönlich zum Flughafen. So habe ich wenigstens als kleine Entschädigung die Möglichkeit, die Schönheit der Lagune auch aus der Vogelperspektive zu bewundern.
Im Hospital in Noumea fällt sofort auf, dass die Einrichtung und Geräte europäisch-französischem Standard entsprechen. Bei der Organisation hatte ich einen anderen Eindruck. Bis zur Untersuchung lag ich geschlagene sechs Stunden irgendwo auf einer Pritsche rum, nach vier Stunden immerhin schon mit einer Gipsschale.
Das Ergebnis dann war niederschmetternd. Kompletter Bänderabriss des Quadrizeps, des großen Streckers. Wollte man mich anfänglich noch auf eine Untersuchung irgendwann in den nächsten drei Tagen vertrösten, ging es nun überraschend schnell. Am nächsten Morgen Visite, am Nachmittag bereits die unumgängliche Operation. Trotz des aufgebauten Sichtschutzes konnte ich dem jungen Chirurgen aus Paris im Spiegel der OP-Lampe zuschauen. Nach kurzem Kontrollblick legt er das Endoskop gleich wieder weg und beginnt mit dem traditionellen Metzgerhandwerk. Deutlich ist der große Muskel zu erkennen. Wie ein dicker Fleischklumpen liegt er zusammengezogen etwa zwei Zentimeter von den Bänderfetzen entfernt. Ein solcher Anblick ist ja durchaus seit "Körperwelten" bekannt, aber es am eigenen Bein zu sehen, treibt, trotz des Warmluftgebläses, ein fröstelndes Zittern durch meinen Körper.
Nach vier Tagen Klinikaufenthalt kommt mich mein Schatz besuchen, unwissend, dass ich zum gleichen Zeitpunkt entlassen worden bin.*

**Als Günter fiel war das für mich noch nichts Außergewöhnliches. Das ist schon öfter mal passiert und immer hat er sich problemlos aufgerappelt. Diesmal aber blieb er liegen. Obwohl tausend Gedanken innerhalb von Sekunden durch mein Gehirn rasten, waren meine Handlungen eigenartig mechanisch und rational. Es muss ein vom Schock gesteuerter Schutzmechanismus sein, den ich bereits in früheren Krisensituationen bei mir erlebt habe.
Jetzt war Günter weg. Für mich war damit der „worst case“ eingetroffen. In Gedanken habe ich schon oft durchgespielt, was wäre wenn... Nun war es Realität. Ich war plötzlich allein und hatte zum ersten Mal die volle Verantwortung für das Boot.
In der Ambulanz blieb uns kaum Zeit, das Nötigste zu besprechen. Auf dem Weg zum Dingi hatte ich nur einen einzigen Gedanken: hoffentlich kriege ich das schwere Teil (ca.100 kg) ins Wasser zurück. Natürlich nicht. Ein junges Paar, das sich in der Nähe sonnte und die einzigen Menschen am Strand waren, kam mir zu Hilfe.
Zurück auf Y Not übermannten mich meine Gefühle und ich ließ meinen Tränen freien Lauf. Jetzt poppten Gedanken auf wie: er hat keine Zahnbürste, nichts mit um die dreckigen Klamotten zu wechseln und, und, und. UND, ich weiss nicht einmal in welches Krankenhaus man ihn einliefert! Mit ein paar positiven Überlegungen wie Diesel- und Wassertank sind voll, das Gas reicht aus, habe ich dann angefangen mich zu beruhigen. Ich wusste ja was zu tun war, um bei drehenden Winden das Schiff in die nächste geschützte Bucht zu verholen. Und irgendwie würde es schon klappen.
Als ich von Günter die erste Email über seinen aktuellen Zustand bekam, war es klar, dass das Boot nach Noumea gebracht werden musste. Zur Not wäre ich die 80sm allein motort. Lediglich vor der Fahrt durch die Riffe hatte ich einen riesigen Respekt. Deshalb war es für mich eine große Erleichterung, als Swen von der „Solar Planet“ spontan seine Hilfe bei der Überführung zusagte.
Die Behörden in Noumea waren beim erneuten Einklarieren ausgesprochen entgegenkommend und freundlich. Und da das Hospital, wie mir die nette Dame vom Zoll erklärte, ganz nahe am Hafen liegt, eilte ich natürlich sofort zu meinem Schatz, .... nicht ahnend, dass ich ihn gleich mitnehmen konnte.
Aber an den Anblick diesen agilen Kerl mit Schiene und Krücke auf dem Boot rumhüpfen zu sehen muss ich mich erst noch gewöhnen.**

Jetzt sind wir wieder gemeinsam auf Y Not. Aber welche Aussicht. Die Ärzte haben dringend zu sechs Monaten intensiver Physiotherapie geraten, um das Bein weitgehend in den alten Zustand zurück zu versetzen. Erst muss es zusammenwachsen, dann Muskelaufbau und die Beweglichkeit wieder herstellen.Segeln ist damit für längere Zeit passé, das Risiko einer erneuten Verletzung zu groß. Mindestens zwei Monate wird Günter mit einer Beinschiene und Krücken auf dem Boot rumhumpeln. So lange ist selbst an Kontinentalflüge nicht zu denken. Zu früh über neue Pläne nachzudenken. Wir werden auf jeden Fall alles tun, um irgendwann unsere Reise wieder unbeschwert fortsetzen zu können. Bis dahin aber werden wir unsere Berichte wohl deutlich reduzieren.

Glück im Unglück. Nicht auszumalen, wenn das einem von uns auf einer entfernten Insel in Vanuatu passiert wäre. Manchmal hat die Nähe zum europäischen Gesundheitswesen doch seine Vorteile.

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