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Páramo Andenkirchlein
Kunst im Fenster Kathedrale Merida
La Abadia ...und geht doch
Feenwald Andenflora
Los Nevados Achterbahn

Venezuela

Merida

30-10-2007

Der Expressbus von Puerto La Cruz bis Merida benötigt mindestens 20 Stunden. Müssen wir uns das wirklich geben? Wir fliegen.

Meridas Lage in einem Tal der Anden auf über 1800m verleiht der Stadt ein für uns angenehmes Klima. Keine Aircondition! Abends ist sogar Jacke oder Pullover angebracht. Merida hat Uni-Flair. 32000 Studenten leben und lernen hier. Viele besuchen eine der international anerkannten Sprachschulen. Durch den schachbrettartigen Aufbau der Altstadt findet man sich schnell zurecht. Abends kann man unbesorgt bummeln und die vielen kleinen Restaurants und Cafés geniessen. Am besten gefallen uns das „Mogambo“ und das „La Abadia“, gehobene Gastronomie zu moderaten Preisen.

Doch zunächst beziehen wir in der „Casa Vieja“ Quartier. Die einfache, sehr saubere, kleine Posada wird von Joe, einem Deutschen, und seiner peruanischen Frau Alejandra betrieben. Sie liegt 12km ausserhalb Meridas im kleinen Ort Tabay. Idealer Ausgangspunkt für Wanderungen in der faszinierend andersartigen Natur der Andenhänge und Täler im Nationalpark Mucuy. Für den gelegentlichen Stadtbummel aber zu abgelegen.
Linda und Ed, unsere amerikanischen Mitreisenden von der „Dreamtime“ die wir hier treffen wollen, sind deshalb inzwischen nach Merida umgezogen. Wir folgen ihnen ein paar Tage später in die familiäre Unterkunft zu „Gioia“, mitten im Stadtzentrum gelegen. Gioia ist durch Mund-zu-Mund-Propaganda unter den Cruisern bekannt und wegen ihrer Englischkenntnisse als Guide beliebt. Mit ihr fahren wir die „Trans-Andina“ hoch hinauf ins „Páramo“, bis zum auf 4300m gelegenen „Adler Pass“ (Paso de Aguila). Wir besichtigen eine Kondor-Aufzuchtstation.  Kleine Gletscherseen und die aussergewöhnliche Flora, mit Pflanzen, die nur in dieser Gegend  im Reich der Wolken vorkommen, beeindrucken uns. Vom hier gelegenen Observatorium kann man jedoch nur in der Trockenperiode das All beobachten.
Verträumte Dörfer verstecken sich in den weitläufigen Seitentälern. In ihnen scheint die Zeit vor hunderten von Jahren stehen geblieben zu sein. Je nach Lage finden sich dort kleine Kaffee-Plantagen, wie in „Jaji“, oder einfache, mit Vierbeinern betriebene Zuckerrohrmühlen. Die meisten Siedlungen leben von ein bisschen Landwirtschaft. Erdfrüchte, wie Möhren, Kartoffeln und Knoblauch, aber auch Erdbeeren werden hier das ganze Jahr über angebaut.
Am meisten beeindruckt ein Besuch in Los Nevados. Das Örtchen hat außer ein paar Bergbauernhütten und einigen Privatunterkünften nicht viel zu bieten. Einziger Vorteil ist, dass von hier aus ein Mulipfad zur "Teleferico" geht. Die Teleferico, die größte Attraktion Meridas, ist die längste (12,5km) und höchste (4765m) Seilbahn der Welt. An der vorletzten Station vor dem Gipfel werden die Touristen auf Mulis verfrachtet und ab geht’s nach Los Nevados. Oder umgekehrt von dort hierher. Fünf Stunden auf dem „Schaukelpferd“. Wir laufen die Strecke lieber zu Fuß. Natürlich erwischt uns unterwegs der tägliche Nachmittagsregen. Wegen des großen Andrangs an der Seilbahn sind wir einfach zu spät losgekommen.
Die Posada Bella Vista ist das "erste Haus" am Platz mit einfacher, aber schmackhafter andinischer Küche. In den kahlen, kalten Zimmern dauert es eine Weile bis unsere Klamotten trocknen und wir unter der Decke wieder warm werden.

Das eigentliche Abenteuer stand uns aber erst noch bevor. Die Rückfahrt mit dem Jeep nach Merida. Es ist Regenzeit. Vier Stunden windet sich der glitschig, schlammige Pfad entlang der Steilhänge. Manchmal führt er Schwindel erregend steil hinab, nur eine Handbreit vom Abgrund entfernt, dann wieder atemberaubend ausgesetzt den Hang hinauf. Wir passieren Bäche, die über den Weg schießen. Stellenweise scheint die Spur völlig unterspült zu sein. An anderen Stellen wurde sie gerade nach einem Erdrutsch ausgebessert. Die dort aufgestellten kleinen Gedenkhäuschen tragen nicht gerade zur Beruhigung des Nervenkostüms bei.  So aufregend hatten wir es uns nicht vorgestellt. Nur die Tatsache, dass unser Fahrer den Weg schon 25 Jahre auf und ab fährt, gibt uns Vertrauen, auch wenn sein desolater Toyota mindestens genauso lange hier unterwegs sein muss.
Die sichere Ankunft in Merida ist uns ein großzügiges Trinkgeld wert. Der ausgedehnte Nervenkitzel war nicht viel teurer als eine Fahrt mit der Achterbahn in Deutschland.

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